E-HealthBlutzuckermessung
Morgens, mittags, abends: Mindestens drei bis vier Mal täglich müssen insulinpflichtige Diabetiker ihren Blutzuckerspiegel messen. Doch mittlerweile sind Alternativen zum klassischen Blutzuckermessgerät etabliert – die neuen Technologien verbessern die Gesundheit und Lebensqualität der Betroffenen enorm.
Ob klassisches Blutzuckermessgerät oder ein neueres CGM- oder FGM-System: Blutzuckermessgeräte sind für insulinpflichtige Diabetespatienten essentiell. Sie erkennen damit, ob ihre Blutzuckerwerte zu hoch oder zu niedrig sind und dosieren anhand der Werte die Menge an Insulin, die sie spritzen müssen. So bleibt der Blutzuckerspiegel stabil. Das ist einerseits wichtig, um akute Komplikationen, wie Unterzuckerung, Ketoazidose, also eine Übersäuerung bei Diabetes oder ein diabetisches Koma, zu verhindern und andererseits um langfristigen Schäden, wie Gefäßerkrankungen, vorzubeugen. Wie funktionieren die verschiedenen Systeme, was sind ihre Vor- und Nachteile und für wen sind sie geeignet?
Wer seinen Blutzucker klassisch misst, sticht sich in der Regel mit einer Stechhilfe in den Finger, um einen Tropfen Blut zu erhalten. Über einen Teststreifen gelangt das Blut in die Reaktionskammer des Messgeräts, wo die Enzyme und der Traubenzucker im Blut miteinander reagieren. Bei diesem chemischen Prozess werden Elektronen freigesetzt. Im Messgerät befinden sich zwei Elektroden, wodurch es mit den freien Elektronen zu einem Stromfluss kommt und das Messgerät daraus den aktuellen Blutzuckerwert errechnet.
Die klassische Blutzuckermessung ermittelt die Glukosekonzentration ausschließlich zum Zeitpunkt der Messung. Das bedeutet, es kann nicht gesagt werden, wie sich die Werte vor und nach der Messung entwickelt haben. Damit ist es nur für Menschen mit einer Diabetestherapie ohne Hypoglykämierisiko, also dem Risiko einer Unterzuckerung, geeignet. Klassische Blutzuckermessgeräte inklusive Teststreifen sind vergleichsweise günstig und werden bei insulinpflichtigen Patienten – mit ärztlichem Rezept – von der Krankenkasse übernommen.
Bei der kontinuierlichen Glukoseüberwachung, auch Continuous Glucose Monitoring (CGM) misst ein Sensor über eine dünne Nadel bis zu 1400 Mal täglich den Glukosewert. Der Sensor ermittelt die Glukosekonzentration anhand der Gewebsflüssigkeit im Unterhautfettgewebe. In der Regel setzt sich der Nutzer den Sensor, mithilfe eines Applikators, selbst unter die Haut. Spätestens nach sieben Tagen muss er ausgetauscht werden. Es sind allerdings bereits Sensoren auf dem Markt, die mehrere Monate unter der Haut bleiben können – sie werden vom Diabetologen eingesetzt. Der Sensor ist mit einem Transmitter, der auf der Haut angebracht ist, verbunden. Dieser Transmitter ist etwa so groß wie das Zifferblatt einer Armbanduhr. Seine Funktion: Er funkt die gemessenen Werte an einen Empfänger. Der Empfänger ist ein separates Empfangsgerät, ein Smartphone oder eine dafür geeignete Insulinpumpe. Auf diesem Gerät liest der Nutzer den Zuckerwert ab. Außerdem erfährt er, ob seine Werte aktuell eher steigen oder sinken. Die Besonderheit: Wenn eine Über- oder Unterzuckerung droht, ertönt ein Warnsignal. So kann der Betroffene rechtzeitig handeln und akute Komplikationen, wie ein diabetisches Koma oder eine lebensgefährliche Unterzuckerung (Hypoglykämie), vermeiden.
Grundsätzlich werden bei kontinuierlicher Blutzuckermessung mehr Daten, als bei der klassischen Blutzuckermessung erhoben. Dadurch erhalten die Ärzte einen besseren Überblick und können die Therapie genauer an die Bedürfnisse ihrer Patienten anpassen. Auch die Betroffenen sehen, wie sich ihre Zuckerwerte im Laufe des Tages verhalten, erkennen, wie sich bestimmte Lebensmittel oder Mahlzeiten auswirken und können ihre Insulindosis entsprechend anpassen. Kurz gesagt: Mit CGM-Systemen ist es einfacher den Blutzuckerspiegel konstant zu halten, denn sie helfen extreme Werte früh zu erkennen. So kann der Betroffene mögliche Komplikationen vermeiden.
Zwar sind die Werte von Blut- und Gewebezucker ähnlich aber nicht identisch. Der Grund: Zucker aus der Nahrung gelangt schneller ist Blut als in die Gewebsflüssigkeit. Die Glukosewerte von CGM-Systemen hinken also zeitlich immer etwas den Werten der klassischen Blutzuckermessung hinterher. Das sollten Nutzer wissen und sofort klassisch nachmessen, wenn sie Anzeichen einer Über- oder Unterzuckerung bemerken – auch wenn die Werte vom CGM-Gerät im Normalbereich liegen. Grundsätzlich sollten Träger vor dem Essen und im Zweifelsfall ihren Blutzuckerwert immer manuell nachprüfen. Um sicherzugehen, dass das Gerät richtig misst, muss es mindestens zweimal täglich kalibriert werden. Dafür erheben die Betroffenen ihre Werte mit einem klassischen Blutzuckermessgerät und vergleichen sie mit denen des CMG-Systems. Die Kostenübernahme von gesetzlichen Krankenkassen muss in der Regel beantragt werden, manchmal genügt ein ärztliches Rezept. Bei privat Krankenversicherten ist entscheidend, was im Versicherungsvertrag festgelegt ist.
Ein CGM-Gerät ist durch die Alarmfunktion vor allem für Diabetiker mit einem hohen Risiko der Unterzuckerung sinnvoll, wenn sie Hypoglykämien nicht bemerken oder ihren Stoffwechsel schwer in den Griff bekommen.
Oft werden CGM-Systeme bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 eingesetzt. Sie müssen so selbst seltener Blutzucker messen und nicht ständig daran denken. Generell haben Kinder und Jugendliche ein höheres Risiko für Hypoglykämien. Dadurch, dass das CGM-Gerät rechtzeitig vor einer Über- oder Unterzuckerung warnt, sind sie besser geschützt. Das entlastet die Kinder und die Angehörigen – vor allem da Kinder Unterzuckerungen selbst nicht sicher erkennen können. Besonders eignen sich CGM-Systeme deshalb auch für folgende Diabetiker: Personen mit Hypoglykämiewahrnehmungsstörung, Athleten mit kompetitiven Sportarten und Schwangere.
Eine weitere Art moderner Blutzuckermessgeräte sind Flash-Glucose-Monitoring-Systeme (FGM). Sie messen den Glukosewert kontinuierlich und zeigen den Werteverlauf mit einem Pfeil (Flash) an. Auch sie funktionieren mit einem Sensor, der den Zuckergehalt im Unterhautfettgewebe ermittelt. Er hat einen Umfang von etwa 35 Millimetern, wird auf die Haut – meist den Oberarm – geklebt und sendet bis zu 14 Tage lang drahtlos kontinuierliche Glukosedaten an ein entsprechendes Lesegerät – wie einen Reader oder Smartphone. Möchte der Betroffene seine Werte erfahren, hält er das Lesegerät einfach über den Sensor. Folgendes zeigt das Display an: den aktuellen Glukosewert, einen Pfeil, der angibt, ob der Wert steigt, sinkt oder stabil ist und eine Grafik der letzten acht Stunden. So erkennt der Betroffene frühzeitig Über- genauso wie Unterzuckerungen und kann gegensteuern.
Wie bei der Blutzuckermessung mit CGM, misst ein FGM-System den Glukosewert kontinuierlich und automatisch. Ärzte und Betroffene haben so mehr Überblick über den Blutzuckerspiegel und können die Therapie entsprechend anpassen. Anders als CGM ist FGM vorkalibriert – die tägliche Kalibrierung entfällt somit. Obwohl beim FGM keine Alarmfunktion vorhanden ist, sind die Blutzuckerwerte deutlich häufiger im Zielbereich und nächtliche Hypoglykämien können verhindert werden.
Auch FGM-Systeme messen die Zuckerkonzentration im Gewebe, die sich zum Blut zeitlich verzögert einstellt. Deshalb gilt auch hier: Der Betroffene sollte gut im Umgang mit dem Gerät geschult sein und vor jeder Insulingabe und bei sehr hohen oder sehr niedrigen Blutzuckerwerten klassisch nachmessen. Fast alle Kassen übernehmen inzwischen die Kosten für ein FGM-System.
Grundsätzlich eignen sich FGM-Systeme für Personen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, die eine intensive konventionelle Insulintherapie benötigen. So ist FGM auch ohne Alarm für Menschen mit Typ-1-Diabetes geeignet, die kein besonderes Risiko für schwere Unterzuckerungen haben.
Gegenüber der klassischen Methode haben CGM- und FGM-Systeme erhebliche Vorteile. Sie messen automatisch und regelmäßig, wodurch mehr Zuckerwerte erhoben und ihr Verlauf besser beobachtet werden kann. Die Therapie kann so noch genauer auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden. Das Risiko von lebensgefährlichen Über- oder Unterzuckerungen wird nachhaltig gesenkt. Für Betroffene bedeutet das: mehr Sicherheit und Unabhängigkeit im Alltag.
In den USA bereits zugelassen sind hybride Closed-Loop-Systeme, die sich vor allem bei Diabetes Typ 1, insbesondere für Kinder und Kleinkinder mit Diabetes Typ 1, eignen. Sie werden auch künstliche Bauchspeicheldrüse genannt und gehen noch einen Schritt weiter als Systeme der kontinuierlichen Blutzuckermessung: Sie vereinen Blutzuckermessung und Insulingabe.
Zu Insulinpumpe und Sensor kommt bei einem hybriden Closed-Loop-System als dritte Komponente eine spezielle App fürs Smartphone hinzu. Sie enthält einen Algorithmus, der mittels der Sensordaten die Insulindosis berechnet, die Pumpe steuert und somit die Basalrate, also den Grundbedarf an Insulin, reduzieren, aber auch erhöhen kann. In der Nacht und in Ruhephasen arbeiten diese hybriden Closed-Loop-Systeme völlig selbstständig. Nur zu den Mahlzeiten müssen die Anwender noch aktiv werden, deshalb der Zusatz ‚hybrid‘.
Sobald der Nutzen und die Sicherheit dieser hybriden Closed-Loop-Systeme gewährleistet ist, können auch sie dazu beitragen, den Alltag für Menschen mit Diabetes weiter zu erleichtern und die Gesundheit und Lebensqualität zu steigern.
Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Leipzig vom 16.08.2019: Pilotstudie mit UKL-Beteiligung: Künstliche Bauchspeicheldrüse für Kleinkinder mit Typ 1-Diabetes erfolgreich getestet
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