Apps auf Rezept

Ärzte können nun Apps auf Rezept verschreiben. Die Krankenkassen zahlen. Vorausgesetzt, die App erfüllt bestimmte Anforderungen. Welche das sind und was offizielle Verbände und Institutionen am Digitale-Versorgung-Gesetz kritisieren. 

Anforderungen an kassenpflichtige Gesundheits-Apps

„Jeden Morgen nach dem Aufstehen, vor dem Essen und dem Schlafengehen die Blutzuckerwerte in Ihre App eintragen.“ Mit diesen Worten könnte Ihnen Ihr Arzt ein Rezept für eine Gesundheits-App in die Hand drücken. Durch das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) können Ärzte Apps nun auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen verschreiben. Voraussetzung: Die App ist im Verzeichnis für Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA-Verzeichnis) gelistet. Um dort aufgenommen zu werden, muss sie eine CE-Zertifizierung aufweisen. Zusätzlich muss das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die App als Medizinprodukt zulassen. Sie muss also die Anforderungen des BfArM in puncto Sicherheit, Qualität, Datenschutz und Nutzerfreundlichkeit erfüllen. 

Grundsätzlich gilt, die Anwendung muss einen klaren medizinischen Zweck erfüllen. Beispielsweise muss sie eine Krankheit, Verletzung oder Behinderung erkennen, vorbeugen, behandeln oder überwachen. Dabei beruht ihre Hauptfunktion wesentlich auf digitaler Technologie.

In das Verzeichnis aufgenommen werden vorerst allerdings nur Apps der Risikoklassen I und IIa. Zum Hintergrund: Das BfArM teilt Medizinprodukte in Risikoklassen ein, von Klasse I (geringes Risiko) über IIa und IIb bis Klasse III (hohes Risiko) – je nachdem, welchen potentiellen Schaden ein Fehler oder Ausfall des Produkts verursachen kann.

App-Hersteller muss medizinischen Nutzen nachweisen

Damit die App jedoch tatsächlich zur Kassenleistung wird, muss der Hersteller nachweisen, dass seine Anwendung die Gesundheitsversorgung verbessert. Kann er das nicht, die App entspricht aber ansonsten allen Anforderungen, wird sie zunächst für ein Jahr in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen und ihre Kosten von den Gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Innerhalb eines Jahres muss der Hersteller den Nachweis beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nachreichen.

Preisbildung: Was kostet die App

Nachdem die App im Verzeichnis für Digitale Gesundheitsanwendungen aufgenommen wurde, müssen die Krankenkassen im ersten Jahr den Herstellerpreis zahlen. Danach verhandelt der Hersteller mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen über die Vergütung der App. Die AOK Baden-Württemberg kritisiert dieses Vorgehen: „Das vorgesehene System der Preisbildung bei digitalen Gesundheitsanwendungen öffnet Tür und Tor für überhöhte Preise. Bei Arzneimitteln hat sich gezeigt, dass es schnell zu Mondpreisen führt, wenn Hersteller zunächst ihre Preise nach Gutdünken selbst festlegen können. Warum wird aus Fehlern nicht gelernt?“

Nutzen nicht erwiesen – trotzdem verschrieben

Grundsätzlich begrüßen viele offizielle Verbände und Institutionen, dass Apps schnell in die medizinische Versorgung aufgenommen werden können und die Krankenkassen die Kosten übernehmen. Dennoch stößt vor allem ein Aspekt auf Kritik: Dass Apps, deren medizinischer Nutzen noch nicht erwiesen wurde, für ein Jahr von Ärzten verschrieben werden können. „Hauptproblem ist, dass man so Apps ins System lässt, die dem Patienten keinen Nutzen bringen. Das sind einfach Apps, die ein bisschen Hokus Pokus machen.", sagt Prof. Dr. med. Stefan Sauerland vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.

Kritik des Bundesrates am Einfluss der Krankenkassen

Auch der Bundesrat übt Kritik am geplanten Digitale-Versorgung-Gesetz. Ein Grund ist: Nicht nur Ärzte, sondern auch die Krankenkassen selbst können Apps genehmigen. Hierin sieht der Bundesrat einen Bruch in der Regelung, dass Verordnung stets vom Arzt vorgenommen werden müssen. Es bestehe die Gefahr, dass auch Anwendungen genehmigt werden, die einen negativen Effekt auf den Gesundheitszustand des Einzelnen haben. Außerdem sollten auch Psychotherapeuten, nicht nur Ärzte, digitale Gesundheitsanwendungen verschreiben können.

Zudem seien die Gesundheitsdaten der Patienten gefährdet. Der aktuelle Gesetzesentwurf ermögliche es, dass die Krankenkassen individuelle Gesundheitsprofile ihrer Versicherten erstellen können. Das berge Risiken für die Persönlichkeitsrechte der Versicherten und die Gefahr, dass einzelne oder bestimmte Personengruppen diskriminiert werden.

Kritik der Bundespsychotherapeutenkammer

Kritik kommt auch von Seiten der Bundespsychotherapeutenkammer: Sie fordert, dass für Apps vergleichbare Ansprüche gelten sollten wie für Arznei- und Heilmittel. „Wenn eine Gesundheits-App verspricht, eine Behandlung wirksam zu unterstützen, dann muss genau diese Wirkung auch unabhängig überprüft werden.“ Denn: „Die angestrebte schnelle Verbreitung von Gesundheits­-Apps darf nicht zulasten der Patienten gehen.“, sagt der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer Dietrich Munz.

Ein weiterer Kritikpunkt der Bundespsychotherapeutenkammer ist das hohe Angebot an Gesundheits-Apps. Gegen psychische Erkrankungen beispielsweise sind bereits einige Apps als Medizinprodukt zugelassen. Aber weder Versicherte noch Ärzte könnten erkennen, welche App tatsächlich hält, was sie verspricht. Ärzte und Psychotherapeuten sollten deshalb prüfen müssen, ob eine Gesundheits-App zu einem Patienten und seiner Erkrankung passt. Im Entwurf des DVG ist dazu vorgesehen, dass auch Krankenkassen den Versicherten Gesundheits-Apps empfehlen können. „Ohne fachkundige Diagnostik und Indikationsstellung durch Ärzte und Psychotherapeuten drohen Fehlbehandlungen“, sagt Munz.

Forderung: Lizenz auf Zeit für Gesundheits-Apps

Medizinische Sachverhalte ändern sich schnell, neue Therapien werden etabliert, Medikamente kommen auf den Markt. Dementsprechend hat das Auswirkungen auf die Inhalte der therapeutischen Apps. Prof. Dr. med Uwe Hasbargen, Gynäkologe am Klinikum Großhadern fordert deshalb, dass Gesundheits-Apps nur eine Lizenz auf Zeit erhalten.

Quellen: 
Ärzteschaft. Kritik an fehlender Qualitätssicherung bei Gesundheits-Apps: Bundesärztekammer (Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern) und Kassenärztliche Bundesvereinigung, online unter www.ärzteblatt.de (aufgerufen am 24.09.2019)
Ärzte sollen Apps verschreiben können. Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation: Bundesministerium für Gesundheit, online unter www.bundesgesundheitsministerium.de (aufgerufen am 24.09.2019)
Entwurf Digitale-Versorgung-Gesetz. App auf Rezept: ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V., Berlin, online unter www.pharmazeutische-zeitung.de (aufgerufen am 24.09.2019)
Gesund per Handy? Spahn will Apps zur Kassenleistung machen: Bayerischer Rundfunk Fernsehen, online unter www.br.de (aufgerufen am 24.09.2019)
Orientierungshilfe Medical Apps: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, online unter www.bfarm.de (aufgerufen am 24.09.2019)
Pressemitteilung der AOK Baden-Württemberg vom 03.07.2019: DVG: Beirat Digitalisierung sieht Licht und Schatten
TOP 37: Digitale Versorgung. Bundesrat übt Kritik am geplanten Digitale-Versorgung-Gesetz, online unter www.bundesrat.de (aufgerufen am 30.09.2019)

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